Wa ist Karate do?

Was ist Karate do?

Karate-Do ist eine Kunst. Eine Körper- und Kampfkunst und eine Methode der Selbstverteidigung. Sie ist auch ein Weg zur Weiterentwicklung der Persönlichkeit und zur Festigung des Charakters, der schließlich zu einem inneren Wachstum führt. Karate-Do ist somit nicht nur eine Disziplin der Körperbeherrschung, sondern auch eine Schule der Geistesbildung, die einen das ganze Leben lang begleiten sollte.

Geschichte und Entwicklung


Geschichtliche Anfänge von Karate-Do
Bereits im 14. Jh. entstanden zwischen China und Okinawa rege Handelsbeziehungen. Im selben Jahrhundert kamen die ersten antiken Formen der chinesischen Kata und eine Kopie des Bubishi (altes chinesisches Dokument unbekannten Ursprungs, das mehrere chinesische Stile behandelt) nach Okinawa.
Im Jahre 1429 verbot König SHO-HASHI den Besitz jeglicher Waffen. Dies war die Zeitspanne, in der sich unter chinesischem Einfluss die Kampfmethode der "leeren Hand" auf Okinawa entwickelte. Gleichzeitig wurde auch die Handhabung verschiedener landwirtschaftlicher Geräte kämpferisch, was zur Entwicklung des okinawanischen Kobujutsu oder Kobudô (okinawische Waffensysteme) führte.

Entwicklung des Tôde

Über Jahrhunderte hinweg stand die kleine Insel Okinawa im Kreuzfeuer der beiden großen Mächte Japan und China. Die langanhaltenden und guten Beziehungen zum chinesischen Kaiserreich ermöglichten jedoch dem kleinen Inselstaat, sich durch Anlehnung an die hohe chinesische Kultur zu entwickeln. Bereits 1392 wurde in Kumemura, einem Vorort der okinawanischen Hauptstadt Naha, eine chinesische Siedlung errichtet, die bis in die jüngste Vergangenheit einen regen Kulturaustausch ermöglichte. Dort wohnten ständig vom chinesischen Kaiser beauftragte Gesandte, deren Aufgabe es war, den kleinen Staat durch Rat und Tat zu unterstützen.
Auf Okinawa übte man sich zu jener Zeit in einer Selbstverteidigungsmethode, die man Tôde oder einfach nur Te nannte. Unter den chinesischen Gesandten befanden sich auch namhafte Quanfa-Experten (Quanfa = Bezeichnung für die chinesische Kampfkunst, auch Ch'uan fa, Gong fu, Kung fu oder Kenfat), und bald vermischten sich die beiden Kampfkunstmethoden untereinander und bedingten die Entstehung des Okinawa te, des direkten Vorläufers des modernen Karate. Die meisten dieses chinesisch-okinawanischen Systeme nannte man Kempo-Tôde und später Kempô-Karate.
Das regelmäßige Kommen und Gehen der chinesischen Gesandten steigerte die Vielfalt der im Kampf angewandten Techniken. In demselben Zeitalter wurden diese Selbstverteidigungsmethoden auf Okinawa unter dem Begriff Tôde zusammengefasst. Darin bedeutet das ursprünglich chinesische ldeogramm Tô in der okinawanischen Sprache "Tang-Dynastie". Mit Tô bezeichnete man auf Okinawa alles, was aus China kam, ebenso wie das Land selbst. De ist eine Verzerrung von Te und bedeutet sowohl im Chinesischen als auch im Okinawanischen "Technik" (im Japanischen "Hand"). Tôde, in der Übersetzung "Technik der Tang" oder "Technik des Kontinents", bezieht sich daher auf das chinesische Quanfa, das große Ursprungssystem der okinawanischen Selbstverteidigung. Später verwendete man dafür die Bezeichnung Okinawa te (kurz: Te).
Das Zeichen Tô in dem Wort Tôde kann aber auch als "Kara" gesprochen werden. Die Silbe De wird dann bei gleicher Bedeutung "Te" ausgesprochen. Aus Tôde wird somit Karate noch mit der oben genannten Bedeutung. FUNAKOSHI GICHIN soll 1929 die Bezeichnung "Leere Hand" eingeführt haben, dies ist jedoch nicht mit Sicherheit zu belegen. Gründe für die Änderung des Schriftzeichens Kara "China" zu "leer" könnten der philosophisch-moralische Sinngehalt der Silbe "leer", der japanische Nationalismus jener Zeit, der eine Assoziation zu China vermeiden wollte oder der Aspekt der Waffenlosigkeit sein.

Okinawa te

Zu Anfang des 17. Jhs. wurde Okinawa jedoch von dem japanischen Satsuma-Clan erobert und in ein Protektorat des japanischen Imperiums verwandelt. Die Bevölkerung wurde mit Abgaben belegt und unterlag schweren Diskriminierungen. Dies führte zu einer Intensivierung der Kampfkünste, und das Okinawa te wurde in eine tödliche Waffe umgewandelt.
Die Menschen, denen das Tragen von Waffen unter Todesstrafe verboten war, hatten kampferprobte Samurai zum Gegner, und die einzige Möglichkeit, sich zu verteidigen, bestand im Gebrauch ihrer Arme und Beine. Aus jener Zeit stammt die Losung "durch einen Schlag den Tod" (lkken hissatsu). In jahrelangem Training wurden Arme und Beine gestählt, so dass sie selbst den schweren Samurai-Panzer durchdringen konnten. Diese Entwicklung ging Hand in Hand mit der Beherrschung verschiedener Arbeitsgeräte, die durch Übung zu gefährlichen Waffen umfunktioniert wurden. Das zuverlässigste Hilfsmittel, um sich gegen einen bewaffneten Samurai verteidigen zu können, war natürlich ein stabiler Stock (Rokushaku bo). Damit wurden vielfältige Verfahren ausgearbeitet, die zum großen Teil heute noch bekannt sind und meist den Namen ihres Erfinders tragen.
Das Okinawa te bestand aus einer Unmenge von Methoden und Techniken, die ein einzelner Mensch unmöglich alle beherrschen konnte. Doch die Meister konzentrierten sich in ihrem Unterricht auf persönliche Schwerpunkte aus dem Gesamtsystem und lehrten - ohne gleich einen eigenen Stil zu gründen - ihre eigene Auffassung von Kampfkunst.
Sie alle schöpften aus einem riesigen System - dem Okinawa te -, dem jede persönliche Auffassung untergeordnet blieb, jedoch dann, wenn sie von Wert war, vom Hauptsystem selbstverständlich übernommen und bewahrt wurde. Noch im 18. Jh. wurde lediglich nach dem Gebiet, in dem die Meister wohnten, das Okinawa te in Shuri te, Tomari te (Shôrin ryû) und Naha te (Shôrei ryû) unterschieden.

Die Gründung der Stile

Im Laufe der Jahrhunderte entwickelte das okinawanische Karate eine große Vielfalt von Konzepten, die sich grundlegend voneinander unterscheiden. Die meisten darauf begründeten Stile können in zwei Hauptsysteme klassifiziert werden: Shôrin ryû und Shôrei ryû.

Die klassischen okinawanischen sind sehr kampfbezogen, lehnen aber den sportlichen Wettkampf ab. Entsprechend den alten Konzepten betonen sie die Selbstverteidigung (Goshin), die Gesundsheitslehre (Qigong) und die spirituelle Erziehung (Dô). Die Methoden des Kämpfens (Kumite) werden aus der klassischen Kata entwickelt (Bunkai).

Jiyû kumite, so wie es im Wettkampf-Karate geübt wird, ist weitgehend unbekannt. Dôjô-Kämpfe finden auf realistischer Basis statt, in den meisten Kempô-Karatestilen mit Körperschutz, in vielen anderen Stilen aber auch ohne Schutz.
Die wichtigsten okinawanischen Stilableitungen sind: Kobayashi ryû, Shôtôkan ryû, Shitô ryû, Sukunai Hayashi ryû, Shobayashi ryû, Matsubayashi ryû, Isshin ryû, Seibukan ryû (Chûbu), Shôrinji Kenpô, Matsumura Seito, Motobu ryû, Okinawa Kenpô, Ishimine ryû, Kojô ryû, Ryûei ryû, Gôjû ryû, Toon ryû, Uechi ryû.

Karate kommt nach Japan

Bis zum 20. Jh. war Karate in Japan praktisch unbekannt. Der erste, der es in Japan vorstellte, war 1915 Dr. CHITOSE TSUYOSHI, der 1946 seine eigene Version, das Chitô ryû, gründete.
Als nächster Okinawaner unternahm MOTOBU CHOKI mehrere Reisen nach Japan und nahm dort Herausforderungen verschiedener Vertreter des Bujutsu (Überbegriff für alle Kampfmethoden der Samurai) und Boxens an. Seine spektakulären Siege gingen durch die japanische Presse und machten Karate berühmt, bevor es in Japan unterrichtet wurde.
FUNAKOSHI GICHIN kam 1921 nach Japan und blieb zeit seines Lebens dort, um Karate zu unterrichten und zu verbreiten. Auch Motobu blieb bis 1936 in Japan, doch die beiden Meister verstanden sich nicht, sooft ihre Wege sich auch kreuzten. Funakoshi versuchte eine Integration des Karate ins japanische Butokukai (von der Regierung gegründet, um die verschiedenen Ryû zu standardisieren) zu erreichen, während Motobu es als reine okinawanischen Kampfkunst erhalten wollte. In Japan setzte sich letztendlich Funakoshis Konzept (Shôtôkan ryû) durch und führte mit Hilfe von MIYAGI CHOJUN (Gôjû ryû) und MABUNI KENWA (Shitô ryû) zur Aufnahme im Butokukai und damit zur Integration in die japanischen Disziplinen des Budô.

Das grundlegende Stilkonzept (Shotokan)

Durch die langjährige Erforschung der okinawanischen Systeme hatte Meister FUNAKOSHI GICHIN einen tiefen Einblick in die Möglichkeiten, die darin enthalten waren. Als er jedoch 1921 nach Japan kam, traf er auf eine neue Mentalität, die das Lehren der Kampfkunst nach altem okinawanischem Muster unmöglich machte. In Japan war man gerade dabei, die Kampfkünste von der Tradition zu entfernen und als Konsumware anzubieten, weil man sich dadurch eine schnellere Verbreitung und natürlich auch persönliche Vorteile erhoffte. Dazu brauchte man den klar umrissenen, konkurrenzfähigen Stil, der, marktorientiert zurechtgeschnitten, die Gegenüberstellung mit dem anderen Stil nicht zu scheuen brauchte.

In dieser veränderten Auffassung begann Meister Funakoshi in Japan zu unterrichten. Von Anfang an wurde deutlich, dass er seine japanischen Schüler mit dem, was im okinawanischen Karate bisher galt, nicht begeistern konnte. Die modernen Japaner suchten den Anschluss an die konsumorientierte Welt und verzehrten sich in dem Bemühen, Qualität durch Quantität zu ersetzen. Karate als Weg konnte im Japan jener Zeit nur schwer überleben. Es brauchte den sportlichen Aspekt, den Wettbewerb, den äußeren Reiz.

Meister Funakoshi wehrte sich lange dagegen, denn er ahnte, dass Karate dadurch seinen Inhalt verlieren würde. Er suchte nach Möglichkeiten, die ihm erlauben würden, beides miteinander zu verbinden. Die bedeutendste Neuerung war, dass er schließlich erlaubte, dass über das Bunkai (Aufgliederung, Analyse und Studium der Kata) hinaus noch andere Formen des Kumite (Partnerübung) in die Übung einflossen. Diese wurden nach und nach zu festen Bestandteilen des Trainings.
So entstanden zuerst das Gohon kumite (Fünfschritt-Partnerübung) und Sanbon kumite (Dreischritt-Partnerübung), danach das Kihon ippon kumite (Grundschul-Kumite), das Jiyû ippon kumite (Übungskampf in halbfreier Form) und schließlich das Jiyû kumite (Freikampf).

Auch suchte Meister Funakoshi von Anfang an nach einem Unterrichtssystem, das den Zugang zum Karate als Ganzem auch für die Zukunft gewähren sollte, in seinem Umfang aber soweit begrenzt war, dass die Übung nicht in bloßes Formstreben ausartete. Die okinawanische Methode, die Schüler drei Jahre lang ein und dieselbe Kata wiederholen zu lassen (Hito kata san nen), konnte in Japan unmöglich angewendet werden.

Es dauerte fast 15 Jahre, bis Meister Funakoshi sich endgültig entschied, die Kata in seiner Schule zu reduzieren. In seiner ersten Veröffentlichung ("Ryûkyû Kempô Karate", 1922) beschreibt er noch die Kata Pinan 1-5, Naihanchi 1-3, Bassai dai, Bassai shô, Kushanku dai, Kushankû shô, Gojûshihô, Sesan, Chinto, Chinte, Ji'in, Jion, Jitte, Wanshu, Wandau, Rôhai, Jumu, Wandô, Sôchin, Niseshi, Sanseru, Suparinpei, Wankuwan, Kokan und Unsu.

Dies ist ein buntgemischtes System, in dem alle okinawanischen Schulen inbegriffen sind, doch es war als Unterrichtsmethode zu breit. Erst in seinem letzten Buch, "Karate dô Kyôhan", legt Funakoshi die Zahl der Kata seines Systems auf 15 fest.